Feinstaub: Da liegt was in der Luft …
Aerosolpartikel – häufig auch als Feinstaub bezeichnet – sind kleinste Schwebstoffe in der Luft und kommen in der gesamten Atmosphäre der Erde vor. Sie beeinflussen die Luftqualität vor Ort, aber auch die Wolkenbildung und sogar den Treibhauseffekt. Doch wie entstehen diese luftgetragenen Nanopartikel und woraus bestehen sie? Der Chemiker Dr. Martin Brüggemann erforscht sie.
Was verbinden Sie mit dem Wort Feinstaub? Spätestens seit der Einführung der Umweltplaketten für Fahrzeuge im Jahr 2008 und den damit verbundenen Grenzwerten für die städtischen Umweltzonen, taucht das Wort regelmäßig in den Medien auf. Meistens, weil die zulässigen Grenzwerte wieder einmal überschritten wurden. Typischerweise erwecken diese Meldungen den Eindruck, dass Feinstaub ein rein menschengemachtes Phänomen sei. Dabei wird häufig vergessen, dass die Natur ebenfalls Feinstaub produziert – und zwar etwa zehn Mal so viel wie die gesamte Menschheit! Ist das alles also nur mediale Panikmache?
Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, dass sich die produzierten Schwebstoffe in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften enorm unterscheiden – und damit auch in ihrer Toxizität für den Menschen. Tatsächlich sterben weltweit jedes Jahr über drei Millionen Menschen an den Folgen von Feinstaub.
Doch wie können wir zwischen menschengemachten und natürlichen Partikeln unterscheiden, sprich die Partikel auf ihre chemische Zusammensetzung untersuchen? Mit diesem Thema habe ich mich in meiner Promotion beschäftigt und eine Methode entwickelt, welche eine sehr schnelle Analyse von Aerosolpartikeln, also Feinstaub, ermöglicht.
Es sterben weltweit jedes Jahr drei Millionen Menschen an den Folgen von Feinstaub.
Bereits um 1500 beschrieb Leonardo da Vinci in seinen Anleitungen zur Malerei, dass feinste Partikel in der Luft die Sicht trüben und die Farbe entfernter Objekte ändern. Dieser bläuliche Dunst der Luft, der heute in der Kunst als Farbperspektive bekannt ist, lässt sich insbesondere an heißen Sommertagen über großen Waldregionen beobachten und beeinflusste weltweit die Namensgebung von bewaldeten Bergregionen: So lassen sich Blue Mountains, Blue Ridges oder Smoky Mountains in Indien, Jamaica, Australien oder gleich mehrfach in den Vereinigten Staaten finden. Doch auch über sehr dicht besiedelten Gebieten lässt sich dieses, als Los Angeles-Smog bekannt gewordene Phänomen an sonnigen Tagen beobachten. Es kann die städtische Luftqualität deutlich beeinträchtigen. Im Gegensatz zu Schwebstoffen wie Pollen oder Rußpartikeln entstehen die für den Dunst verantwortlichen Feinstaubpartikel aus gasförmigen Substanzen direkt in der Luft.
Bei natürlichen Aerosolen sind diese Vorläufer-Gase häufig sogenannte Terpene, die unter anderem Wäldern ihren typischen Geruch geben. Reagieren diese Terpene nun zum Beispiel mit Ozon in der Luft, bilden sich neue, schwerflüchtige Verbindungen. Die neuen Verbindungen kondensieren dann entweder auf bereits vorhandenen Partikeln oder bilden durch Zusammenlagerungen sogar neue Partikel in der Luft. Während Pollen oder Rußpartikel häufig noch mit bloßem Auge zu erkennen sind, lassen sich diese Partikel nicht mehr ausmachen, da die Durchmesser nur noch zwischen einem millionstel und einigen milliardstel Metern liegen. Gerade diese kleinsten Partikel stellen für die menschliche Gesundheit aber eine besondere Gefahr dar, da sie sehr tief in die Lunge vordringen und dort sogar ins Blut aufgenommen werden können. Des Weiteren haben diese feinsten Schwebstoffe große Bedeutung für klimatische Prozesse, da sie das Sonnenlicht reflektieren oder auch die Anzahl und Lebensdauer von Wolken beeinflussen können. Im Fokus meiner Promotion stand daher besonders diese Klasse von kleinsten Aerosolpartikeln. Leider bedeutet die geringe Größe der Partikel auch, dass die Menge an messbaren Substanzen stark begrenzt ist. Hinzu kommt, dass die Verbindungen nicht rein, sondern in einem Gemisch mit bis zu hunderttausend anderen Substanzen vorliegen und sich die Zusammensetzung innerhalb kürzester Zeit ändern kann. Häufig liegt die Konzentration einer einzelnen Verbindung nur bei einigen Nanogramm pro Kubikmeter Luft, was etwa einem Gramm in hunderttausend großen Heißluftballons entspricht. Natürlich ist es weder möglich noch sinnvoll, eine so große Menge Luft auf deren Aerosolpartikel zu untersuchen. Daher sind sehr empfindliche und nachweisstarke Verfahren nötig, mit denen auch noch kleinste Mengen einer Verbindung in wenigen Litern Luft nachzuweisen und zu identifizieren sind.
Eine Waage für Moleküle
Eine weit verbreitete Technik, die für ihre Empfindlichkeit und ihr Nachweisvermögen in vielen wissenschaftlichen Bereichen geschätzt wird, ist die Massenspektrometrie, welche auch ich während meiner Forschungsarbeiten nutzte. Mithilfe dieses Verfahrens ist es möglich, die Masse einzelner Moleküle zu bestimmen – diese also sehr genau zu „wiegen“. Anschließend können dann über die ermittelte Masse Rückschlüsse auf die chemische Gestalt der gemessenen Verbindungen gezogen und diese identifiziert werden. Voraussetzung für den Einsatz dieser Technik ist jedoch, dass die zu untersuchenden Substanzen erstens gasförmig sind und zweitens eine elektrische Ladung tragen. Während sich viele Substanzen durch einfaches Aufheizen verdampfen lassen und so in ein Gas umgewandelt werden können, stellt die zweite Bedingung schon eine größere Herausforderung dar. Um den verdampften Molekülen eine Ladung zu geben, der Chemiker spricht hier von Ionisierung, wird häufig ein Strahl aus Elektronen auf die entstehende Gaswolke gelenkt. Zwar ist diese Art der Ionisierung sehr effizient und universell einsetzbar, leider führt sie aber auch dazu, dass fragile Moleküle in viele kleine Teile zerfallen. Eine eindeutige Identifikation ist daher nur für wenige Verbindungen möglich, und nur durch komplizierte mathematische Verfahren können gemessene Molekülfragmente später noch bestimmten Substanzklassen zugeordnet werden. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, entwickelte ich während meiner Untersuchungen ein Verfahren, das eine sehr sanfte und trotzdem universelle Erzeugung von geladenen Molekülen aus Aerosolpartikeln erlaubt, und kombinierte dieses mit der Massenspektrometrie.
Das von mir entwickelte Verfahren ähnelt dem Aufbau einer kleinen Leuchtstoffröhre. Das Ziel war jedoch nicht die Beleuchtung eines Raumes, sondern die Erzeugung von energiereichen Heliumatomen. Zwischen zwei Elektroden, welche von Helium umgeben sind, wird dazu eine Hochspannung angelegt und so ein Helium-Plasma erzeugt. Im Gegensatz zu einer Leuchtstoffröhre besitzt eine der beiden Elektroden nun eine kleine Öffnung in der Mitte, durch die das Helium, und damit auch energiereiche Heliumatome, aus der Entladungsregion entweichen können. Um das Plasma aufrechtzuerhalten, wird von der anderen Seite ständig neues Helium zugeführt.
Das von mir entwickelte Verfahren ähnelt dem Aufbau einer kleinen Leuchtstoffröhre.
Da Heliumatome sehr viel Energie speichern und diese auf andere Moleküle übertragen können, kommt es schließlich zur Ionisierung der Luft vor der Ausgangs-Elektrode. Durch die Hitze des Plasmas heizen sich außerdem das entweichende Helium und damit diese Ionisierungsregion auf, sodass in der Luft enthaltene Partikel sofort verdampfen. Auf diese Weise werden die beiden für die Massenspektrometrie nötigen Bedingungen gleichzeitig und für eine Vielzahl von Substanzen erfüllt. Nun platzierte ich diesen Aufbau unmittelbar vor dem Einlass eines Massenspektrometers und leitete die zu untersuchende Luft mit den enthaltenen Feinstaubpartikeln durch die Ionisierungsregion.
In verschiedenen Experimenten konnte ich so zeigen, dass eine schnelle und einfache Untersuchung von Feinstaubpartikeln auf deren chemische Zusammensetzung möglich ist. Dazu führte ich, neben umfangreichen Laborstudien, auch Messungen im bayrischen Fichtelgebirge durch, um Aerosole unter realistischen Bedingungen zu untersuchen. Dort konnte ich unter anderem nachweisen, dass die Wälder natürlichen Feinstaub bilden. Allerdings konnte ich auch zeigen, dass Abgase von Verkehr und Industrie die Partikelbildung beeinflussen und neuartige, schwefelhaltige Verbindungen im Aerosol entstehen. Menschengemachte Abgase und natürliche Aerosole reagieren hier also miteinander und verändern gegenseitig ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften. Die Messungen zeigen somit, dass eine eindeutige Zuordnung von natürlichen und menschengemachten Partikeln durch die gegenseitige Beeinflussung häufig nicht möglich ist. Selbst wenn ein großer Teil der Partikel also natürlichen Ursprungs sein kann, bleiben die anfänglichen Substanzen nicht erhalten, sondern werden zu neuen Verbindungen umgewandelt, deren Folgen für die menschliche Gesundheit bisher nicht bekannt sind. Diskussionen um Feinstaub und dessen Auswirkungen auf Mensch und Natur sind daher wohl doch nicht bloß mediale Panikmache. Leider sind routinemäßige Feinstaub-Messungen bisher häufig auf das Gewicht der Partikel beschränkt, obwohl dieses kaum etwas über Herkunft und Auswirkungen der Partikel verrät. Für die Zukunft würde ich mir daher wünschen, dass Techniken, wie die von mir entwickelte, vermehrt bei solchen Messungen zum Einsatz kämen, um eine routinemäßige und dennoch detaillierte Untersuchung von Feinstaub zu erlauben.
Dr. Martin Brüggemann
1985 geboren in Attendorn
2005 Abitur in Schmallenberg
2006 bis 2011 Diplomstudium der Chemie an der Universität Münster
2012 bis 2015 Promotionsstudium an der Universität Mainz am Institut für Anorganische und Analytische Chemie und dem Max Planck Graduate Center
06.11.2015 Promotion zum Dr. rer. nat.
Seit 2016 Postdoktorand beim Centre National de la Recherche Scientifique am Institut de recherches sur la catalyse et l’environnement de Lyon (Frankreich)