Physik Je schneller, desto besser
Medizinische Untersuchungen in der engen und lauten Röhre eines Magnetresonanztomografen sind unangenehm. Auch weil sie so lange dauern. Mittels neuartiger elektronischer Komponenten ließe sich die Zeit im Gerät verkürzen
„Das ist doch diese enge Röhre, die brummt, klopft und dröhnt, während man ewig lange Zeit still daliegen muss.“ So erinnern sich Menschen, die schon einmal eine Magnetresonanztomografie (MRT) über sich ergehen lassen mussten. Längst ist die MRT ein unverzichtbares Werkzeug in der Diagnostik vieler Krankheiten. Ob Bänderriss, Schlaganfall oder Tumor: Die MRT hat gegenüber der Computertomografie den großen Vorteil, dass sie das Körperinnere ohne schädliche Röntgenstrahlung abbilden kann.
Doch gerade der lange Aufenthalt in der engen Röhre – er kann bis zu einer Stunde dauern – ist für viele Patient:innen eine große Belastung. Ein zentrales Ziel unserer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen ist, das zu ändern. Um die Methode schneller zu machen, müssen wir verstehen, warum sie langsam ist. Das Herzstück eines MRT-Geräts ist ein sehr starker Magnet, mehrere Zehntausend Male stärker als das Erdmagnetfeld. Deshalb müssen Patient:innen unbedingt alles ablegen, was irgendwie magnetisch ist. In der Röhre werden sie buchstäblich magnetisiert. Das Körpergewebe enthält nämlich Wasserstoff, dessen Atomkerne man sich wie Stabmagnete vorstellen kann. Die sogenannten Kernspins richten sich entlang des starken Magnetfeldes aus.
Die Stabmagnete lassen sich durch geeignete elektromagnetische Pulse anstoßen, wodurch sie schnell rotieren. Dabei wirken sie wie Sender, die Signale aussenden, die ihrerseits von der sogenannten Spule empfangen werden. Die Spule empfängt zunächst aber noch kein Bild, sondern nur die Überlagerung aller Signale aus der gesamten Körperregion, ohne diese räumlich zuordnen zu können.
Deshalb benötigt man zusätzlich schwächere Magnetfelder, sogenannte Gradienten, die häufig und in verschiedenen Richtungen ein- und wieder ausgeschaltet werden müssen. Auf diese Weise wird das Signal der Kernspins Schritt für Schritt so beeinflusst, dass sich daraus schließlich ein Bild berechnen lässt. Diese häufigen Schaltvorgänge der Gradienten sind es, die den Lärm in der Röhre verursachen und die Untersuchung in die Länge ziehen.
Um die Jahrtausendwende gelang Forscher:innen ein Durchbruch in Sachen Geschwindigkeit: Bei der „parallelen Bildgebung“ sind mehrere Spulen gleichzeitig im Einsatz. Sie werden zum Beispiel auf einer helmartigen Halterung um den Kopf herum verteilt. Nun „sieht“ eine am Hinterkopf angebrachte Spule vor allem „Hinterkopfsignale“ und empfängt nur wenig aus dem Stirnbereich. Analog dazu registriert die Spule auf der Stirn vorwiegend die Signale dieses Bereichs. Jede Spule hat also ihr eigenes „Ausleuchtungsmuster“, das sogenannte Sensitivitätsprofil.
Aus den Signalen der einzelnen Spulen lassen sich separate Bilder erzeugen, die alle unterschiedlich „beleuchtet“ erscheinen, als würde das Gehirn von mehreren Scheinwerfern aus unterschiedlichen Winkeln angestrahlt. Ist das Sensitivitätsprofil der Spulen bekannt, lassen sich ihre Signale schon teilweise räumlich zuordnen, ohne einen einzigen Gradienten geschaltet zu haben – weil ja schon klar ist, dass die Signale von Hinterkopf- und Stirnspule überwiegend aus ihren räumlich begrenzten Bereichen kommen.
Für die Erzeugung des Bildes werden zwar immer noch Gradienten benötigt, aber dafür ist die Zahl der Schaltvorgänge geringer: eine deutliche Beschleunigung. Allerdings hat diese Technik Grenzen. Denn jeder eingesparte Schaltvorgang verschlechtert die Qualität der Bilder. Im Extremfall sind sie unbrauchbar.
Hier setzt unsere Idee an: Lässt sich diese Verschlechterung vermeiden, indem wir die Sensitivitätsprofile zeitlich verändern? Oder bildlich gesprochen: Können wir die statischen Scheinwerfer schwenkbar machen, sodass sie während der Messung ihr Untersuchungsgebiet verändern? Lassen sich auf diese Weise zusätzliche räumliche Informationen gewinnen und damit bessere Bilder in kürzerer Zeit aufnehmen? Um diese Fragen zu beantworten, entwickelten wir verschiedene Spulen mit veränderlichen Sensitivitätsprofilen. Anders als bei echten Scheinwerfern setzten wir das Schwenken nicht mechanisch um, sondern elektronisch.
Vor dem Bau neuer Spulen entwickelten wir Simulationen mit dem zeitlichen Freiheitsgrad und untersuchten so zeitlich veränderliche Sensitivitätsprofile. So konnten wir mit verschiedenen „Beleuchtungschoreografien“ experimentieren – von langsam und kontinuierlich bis hin zu schnell und abrupt.
Dabei stellte sich heraus, dass schnelle Änderungen der Spulenzustände am nützlichsten sind. Das lässt sich wieder mit einem Scheinwerfer verdeutlichen: Wenn ein einzelner Spot schnell genug hin- und herspringt, sieht es so aus, als wären zwei Scheinwerfer gleichzeitig aktiv. Eine einzelne „schwenkbare“ Spule kann also wie zwei gewöhnliche Spulen wirken, was mehr räumliche Informationen für die „parallele Bildgebung“ verspricht. Daher haben wir die Spulen derart optimiert, dass sie innerhalb von Millionstel Sekunden zwischen den Sensitivitätsprofilen wechseln können – tausendmal schneller als der Blitz einer handelsüblichen Fotokamera.
Die Spulen wurden von den Hochfrequenz-Experten Nikolai Avdievich und Georgiy Solomakha aus unserer Abteilung gebaut. Wir testeten sie am MRT-Gerät zunächst an flüssigkeitsgefüllten Testbehältern und dann an freiwilligen Versuchspersonen. Wie erwartet klappte nicht alles auf Anhieb. Von mysteriösen Störsignalen über durchgebrannte Bauteile bis hin zu launischen Programmen auf dem MRT-Gerät gab es viele Herausforderungen.
Aber als wir schließlich alles im Griff hatten, verglichen wir unsere neue Methode der „dynamischen parallelen Bildgebung“ mit der herkömmlichen statischen Variante. Hierbei konnten wir zeigen, dass unsere optimierte Beleuchtungschoreografie die Bildqualität deutlich verbessert. Außerdem ist die Bildqualität auch bei kürzeren Aufnahmezeiten noch akzeptabel. Im Unterschied zu den herkömmlichen Spulen müsste man mit unseren „dynamischen“ Spulen nur noch etwa halb so lange messen, um die gleiche Bildqualität zu erhalten.
Unsere Methode liefert vielversprechende Ergebnisse, ist aber noch klar im Stadium der Grundlagenforschung. Ein nächster Schritt wäre, sie von unserem Forschungsgerät auf klinische Hochfeld-Scanner zu übertragen, die zunehmend für spezielle Fragestellungen, zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder Epilepsie, genutzt werden. Darüber hinaus haben wir das Konzept nur auf den Kopf angewendet. Es kann auch auf die Bildgebung des ganzen Körpers übertragen werden, wofür deutlich größere Spulen entwickelt werden müssten.
Sicher ist, dass sich an der MRT-Bildgebung noch vieles verbessern lässt, um Krankheiten noch effektiver erkennen und behandeln zu können. Das größte Potenzial liegt dabei im Zusammenspiel von geschickter Datenaufnahme, immer besseren Algorithmen für die Bildberechnung und nicht zuletzt von neuen Komponenten wie den dynamischen Scheinwerferspulen.
Zum Thema
Achtung, Lebensgefahr!
Im Umfeld eines MRT ist größte Vorsicht geboten
Wer im Internet nach den Begriffen „MRT“ und „Missile Effect“ sucht, erfährt, was man mit ausgedienten Magnetresonanztomografen noch alles anstellen kann. Und wer sich unter einer Feldstärke von zwei, drei Tesla nichts vorstellen kann, lernt unter Umständen Lebenswichtiges und versteht, warum vor einer MRT-Untersuchung so penibel nach Herzschrittmachern, Hörgeräten und Prothesen gefragt wird. Oder nach Tätowierungen, die sich im Fall eisenhaltiger Pigmente schmerzhaft erhitzen können.
Rund um das Gerät gibt es mehrere Sicherheitszonen, die dafür sorgen, dass keine ferromagnetischen Gegenstände in seine Nähe gelangen. Für das Personal gibt es intensive Schulungen, wozu auch die Demonstration der magnetischen Feldstärke gehört. So zieht eine an einem Faden hängende Schere schon mit spürbarer Kraft an der Hand. Bei YouTube findet sich ein Video, das eindrucksvoll zeigt, wie die magnetische Anziehungskraft proportional mit dem Volumen des magnetischen Objektes ansteigt. Da zerrt ein Bürostuhl mit einer Kraft am Seil, als ob 1000 Kilogramm dranhingen.
Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen kommt es immer wieder zu Unfällen. Gerade erst starb in den USA ein unvorsichtiger Besucher, nachdem er im Magnetfeld von der eigenen Halskette erwürgt wurde. Tückisch sind die Geräte auch, weil die heliumgekühlten Supraleitermagnete im Routinebetrieb nicht abgestellt werden. Sie laufen tagein, tagaus. Das wusste auch die Reinigungskraft des Universitätsklinikums Turku – und hatte sorgfältig alle metallischen Gegenstände abgelegt. Ihre schwere Bohnermaschine hat sie dabei schlichtweg nicht bedacht. Die Folge: ein Millionenschaden am Tomografen. Die Reinigungskraft blieb zum Glück unverletzt. — J. Schüring