MRT
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Physik Je schneller, desto besser

Medizinische Untersuchungen in der engen und lauten Röhre eines Magnetresonanztomografen sind unangenehm. Auch weil sie so lange dauern. Mittels neuartiger elektronischer Komponenten ließe sich die Zeit im Gerät verkürzen

von Dr. Felix Glang

„Das ist doch diese enge Röhre, die brummt, klopft und dröhnt, während man ewig lange Zeit still daliegen muss.“ So erinnern sich Menschen, die schon einmal eine Magnet­resonanz­tomografie (MRT) über sich ergehen lassen mussten. Längst ist die MRT ein unverzicht­bares Werkzeug in der Diagnostik vieler Krankheiten. Ob Bänderriss, Schlag­anfall oder Tumor: Die MRT hat gegen­über der Computer­tomografie den großen Vorteil, dass sie das Körper­innere ohne schädliche Röntgen­strahlung abbilden kann.

Doch gerade der lange Aufenthalt in der engen Röhre – er kann bis zu einer Stunde dauern – ist für viele Patient:innen eine große Belastung. Ein zentrales Ziel unserer Forschungs­gruppe am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen ist, das zu ändern. Um die Methode schneller zu machen, müssen wir verstehen, warum sie langsam ist. Das Herzstück eines MRT-Geräts ist ein sehr starker Magnet, mehrere Zehn­tausend Male stärker als das Erdmagnetfeld. Deshalb müssen Patient:innen unbedingt alles ablegen, was irgendwie magnetisch ist. In der Röhre werden sie buchstäblich magnetisiert. Das Körper­gewebe enthält nämlich Wasser­stoff, dessen Atomkerne man sich wie Stab­magnete vorstellen kann. Die sogenannten Kern­spins richten sich entlang des starken Magnet­feldes aus.

Die Stabmagnete lassen sich durch geeignete elektro­magnetische Pulse anstoßen, wodurch sie schnell rotieren. Dabei wirken sie wie Sender, die Signale aussenden, die ihrer­seits von der sogenannten Spule empfangen werden. Die Spule empfängt zunächst aber noch kein Bild, sondern nur die Überlagerung aller Signale aus der gesamten Körper­region, ohne diese räumlich zuordnen zu können.

Deshalb benötigt man zusätzlich schwächere Magnetfelder, sogenannte Gradienten, die häufig und in verschiedenen Richtungen ein- und wieder ausgeschaltet werden müssen. Auf diese Weise wird das Signal der Kernspins Schritt für Schritt so beeinflusst, dass sich daraus schließlich ein Bild berechnen lässt. Diese häufigen Schalt­vorgänge der Gradienten sind es, die den Lärm in der Röhre verursachen und die Untersuchung in die Länge ziehen.

Um die Jahrtausendwende gelang Forscher:innen ein Durchbruch in Sachen Geschwindigkeit: Bei der „parallelen Bildgebung“ sind mehrere Spulen gleich­zeitig im Einsatz. Sie werden zum Beispiel auf einer helm­artigen Halterung um den Kopf herum verteilt. Nun „sieht“ eine am Hinterkopf angebrachte Spule vor allem „Hinterkopfsignale“ und empfängt nur wenig aus dem Stirnbereich. Analog dazu registriert die Spule auf der Stirn vorwiegend die Signale dieses Bereichs. Jede Spule hat also ihr eigenes „Ausleuchtungs­muster“, das sogenannte Sensitivitäts­profil.

Für eine MRT-Untersuchung bereitet der Physiker Felix Glang eine Kopfspule vor. Neuartige elektronische Komponenten sollen zukünftig schnellere Aufnahmen ermöglichen
©Annette Mueck
Für eine MRT-Untersuchung bereitet der Physiker Felix Glang eine Kopfspule vor. Neuartige elektronische Komponenten sollen zukünftig schnellere Aufnahmen ermöglichen

Aus den Signalen der einzelnen Spulen lassen sich separate Bilder erzeugen, die alle unterschiedlich „beleuchtet“ erscheinen, als würde das Gehirn von mehreren Schein­werfern aus unterschiedlichen Winkeln angestrahlt. Ist das Sensitivitäts­profil der Spulen bekannt, lassen sich ihre Signale schon teil­weise räumlich zuordnen, ohne einen einzigen Gradienten geschaltet zu haben – weil ja schon klar ist, dass die Signale von Hinterkopf- und Stirnspule überwiegend aus ihren räumlich begrenzten Bereichen kommen.

Für die Erzeugung des Bildes werden zwar immer noch Gradienten benötigt, aber dafür ist die Zahl der Schalt­vorgänge geringer: eine deutliche Beschleunigung. Allerdings hat diese Technik Grenzen. Denn jeder eingesparte Schalt­vorgang verschlechtert die Qualität der Bilder. Im Extremfall sind sie unbrauchbar.

Hier setzt unsere Idee an: Lässt sich diese Verschlechterung vermeiden, indem wir die Sensitivitäts­profile zeitlich verändern? Oder bildlich gesprochen: Können wir die statischen Schein­werfer schwenkbar machen, sodass sie während der Messung ihr Untersuchungs­gebiet verändern? Lassen sich auf diese Weise zusätzliche räumliche Informationen gewinnen und damit bessere Bilder in kürzerer Zeit aufnehmen? Um diese Fragen zu beantworten, entwickelten wir verschiedene Spulen mit veränderlichen Sensitivitäts­profilen. Anders als bei echten Scheinwerfern setzten wir das Schwenken nicht mechanisch um, sondern elektronisch.

Vor dem Bau neuer Spulen entwickelten wir Simulationen mit dem zeitlichen Freiheitsgrad und untersuchten so zeitlich veränderliche Sensitivitäts­profile. So konnten wir mit verschiedenen „Beleuchtungs­­choreografien“ experimentieren – von langsam und kontinuierlich bis hin zu schnell und abrupt.

Dabei stellte sich heraus, dass schnelle Änderungen der Spulen­zustände am nützlichsten sind. Das lässt sich wieder mit einem Scheinwerfer verdeutlichen: Wenn ein einzelner Spot schnell genug hin- und herspringt, sieht es so aus, als wären zwei Scheinwerfer gleich­zeitig aktiv. Eine einzelne „schwenkbare“ Spule kann also wie zwei gewöhnliche Spulen wirken, was mehr räumliche Informationen für die „parallele Bildgebung“ verspricht. Daher haben wir die Spulen derart optimiert, dass sie innerhalb von Millionstel Sekunden zwischen den Sensitivitäts­profilen wechseln können – tausendmal schneller als der Blitz einer handels­üblichen Fotokamera.

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Die Spulen wurden von den Hochfrequenz-Experten Nikolai Avdievich und Georgiy Solomakha aus unserer Abteilung gebaut. Wir testeten sie am MRT-Gerät zunächst an flüssigkeitsgefüllten Test­behältern und dann an freiwilligen Versuchs­personen. Wie erwartet klappte nicht alles auf Anhieb. Von mysteriösen Störsignalen über durch­gebrannte Bauteile bis hin zu launischen Programmen auf dem MRT-Gerät gab es viele Herausforderungen.

Aber als wir schließlich alles im Griff hatten, verglichen wir unsere neue Methode der „dynamischen parallelen Bildgebung“ mit der herkömmlichen statischen Variante. Hierbei konnten wir zeigen, dass unsere optimierte Beleuchtungschoreografie die Bildqualität deutlich verbessert. Außerdem ist die Bildqualität auch bei kürzeren Aufnahmezeiten noch akzeptabel. Im Unterschied zu den herkömmlichen Spulen müsste man mit unseren „dynamischen“ Spulen nur noch etwa halb so lange messen, um die gleiche Bildqualität zu erhalten.

Unsere Methode liefert vielversprechende Ergebnisse, ist aber noch klar im Stadium der Grund­lagen­forschung. Ein nächster Schritt wäre, sie von unserem Forschungs­gerät auf klinische Hochfeld-Scanner zu über­tragen, die zunehmend für spezielle Frage­stellungen, zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder Epilepsie, genutzt werden. Darüber hinaus haben wir das Konzept nur auf den Kopf angewendet. Es kann auch auf die Bildgebung des ganzen Körpers übertragen werden, wofür deutlich größere Spulen entwickelt werden müssten.

Sicher ist, dass sich an der MRT-Bildgebung noch vieles verbessern lässt, um Krankheiten noch effektiver erkennen und behandeln zu können. Das größte Potenzial liegt dabei im Zusammen­spiel von geschickter Daten­aufnahme, immer besseren Algorithmen für die Bild­berechnung und nicht zuletzt von neuen Komponenten wie den dynamischen Schein­werfer­spulen.

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Achtung, Lebensgefahr!

Im Umfeld eines MRT ist größte Vorsicht geboten

Wer im Internet nach den Begriffen „MRT“ und „Missile Effect“ sucht, erfährt, was man mit ausgedienten Magnet­resonanz­tomografen noch alles anstellen kann. Und wer sich unter einer Feldstärke von zwei, drei Tesla nichts vorstellen kann, lernt unter Umständen Lebens­wichtiges und versteht, warum vor einer MRT-Untersuchung so penibel nach Herz­schritt­machern, Hörgeräten und Prothesen gefragt wird. Oder nach Tätowierungen, die sich im Fall eisenhaltiger Pigmente schmerzhaft erhitzen können.

Rund um das Gerät gibt es mehrere Sicherheits­zonen, die dafür sorgen, dass keine ferro­magnetischen Gegen­stände in seine Nähe gelangen. Für das Personal gibt es intensive Schulungen, wozu auch die Demonstration der magnetischen Feld­stärke gehört. So zieht eine an einem Faden hängende Schere schon mit spürbarer Kraft an der Hand. Bei YouTube findet sich ein Video, das eindrucksvoll zeigt, wie die magnetische Anziehungskraft proportional mit dem Volumen des magnetischen Objektes ansteigt. Da zerrt ein Bürostuhl mit einer Kraft am Seil, als ob 1000 Kilogramm dranhingen.

Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen kommt es immer wieder zu Unfällen. Gerade erst starb in den USA ein unvorsichtiger Besucher, nachdem er im Magnet­feld von der eigenen Halskette erwürgt wurde. Tückisch sind die Geräte auch, weil die helium­gekühlten Supraleitermagnete im Routinebetrieb nicht abgestellt werden. Sie laufen tagein, tagaus. Das wusste auch die Reinigungskraft des Universitäts­klinikums Turku – und hatte sorgfältig alle metallischen Gegen­stände abgelegt. Ihre schwere Bohner­maschine hat sie dabei schlichtweg nicht bedacht. Die Folge: ein Millionen­schaden am Tomografen. Die Reinigungs­kraft blieb zum Glück unverletzt. — J. Schüring

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