©Universität Hamburg

Keine Panik schüren

Dirk Notz ist Meereisforscher. Als einer der Leit­­autoren des aktuellen Welt­klima­berichts sieht er es aber auch als seine Aufgabe, die Bedrohung durch den Klima­wandel so zu vermitteln, dass Menschen Verantwortung für die Erde übernehmen

von Julia Graven

Drei Jahre lang hat Dirk Notz am Sechsten Sachstandsbericht des Welt­klima­rats IPCC mitgearbeitet. Der Bericht, der im August erschienen ist, beschreibt wissenschaftlich präzise auf knapp 4000 Seiten den Zustand der Erde im Zeichen des Klima­wandels. Weniger wissenschaftlich formuliert, lautet das Fazit: Alles ist noch schlimmer als gedacht.

Im Meeres-Kapitel, für das Notz einer der Leit­autoren war, findet sich zum Beispiel die Hiobs­botschaft, dass eisfreie Sommer in der Arktis wohl nicht mehr zu verhindern sind. Bis solche Aussagen schwarz auf weiß geschrieben stehen, ist viel Abstimmung im Team nötig, berichtet der Hamburger.

„In der abschließenden Plenar­sitzung haben wir mit der Politik teilweise zwei Wochen lang Satz für Satz diskutiert und sogar um einzelne Wörter gerungen“, erzählt Notz. Rund 20.000 Nachrichten pro Woche seien bei ihm aufgelaufen. Trotzdem hat die Arbeit als Leit­autor Spaß gemacht, „und es war auch eine große Ehre“, sagt der 46-Jährige.

Auch wenn der 4000-Seiten-Bericht sich an die Fachwelt richtet, war es dem Forscher wichtig, dass die Ergebnisse auch außer­halb ankommen. Er ist stolz darauf, dass die „Zusammen­fassung für Entscheider“ und die viel beachteten Zwischen­über­schriften darin prägnanter und verständlicher formuliert sind als bei den vorigen Berichten.

„Es wäre schön, wenn die Menschen mit dem Wissen, das ich kommuniziere, aktiv Verantwortung über­nehmen“, sagt Notz. Als Aktivist mit erhobenem Zeige­finger versteht er sich aber nicht. Er will Fakten vermitteln und Wahr­scheinlichkeiten seriös kommunizieren. Damit das gelingt, müssten Forschende wissen, wie Medien funktionieren.

So heißt es im IPCC-Bericht, dass der Meeresspiegel beim Zusammen­bruch von Eis­schilden bis zum Jahr 2100 um zwei Meter steigen könnte. „Wir wollten auf jeden Fall vermeiden, dass die Medien mit der größten Zahl, die sie im Bericht finden, Panik schüren“, erzählt Notz. Deswegen spricht er nie von „zwei Metern“ möglichem Anstieg, sondern von „einem Meter mehr“ – schließlich sei das Extrem­szenario sehr unwahrscheinlich.

Die Erregungswelle in Politik und Medien nach der Veröffentlichung sei leider nur kurz gewesen, meint der Forscher. Hoffnung setzt er darauf, dass der Bericht hinter den Kulissen wirkt: als Beweis­grund­lage von Klima­klagen vor Gericht und als Fakten­basis, die im November auf der Klima­konferenz in Glasgow von niemandem mehr angezweifelt werden kann.

Zur Person:
Dirk Notz leitet die Forschungs­gruppen „Meereis im Erdsystem“ an der Universität Hamburg und am Max-Planck-Institut für Meteorologie. 2007 erhielt der Polar- und Klima­forscher den KlarText-Preis im Fach Physik für eine spannende Kurz­­fassung seiner Doktorarbeit „Das Ende der Eis-Zeit?“

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