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Physik Uuund Action!

Gute Filme sind spannend, überraschend, unterhaltsam. Das gilt auch für „Nano­filme“: Wir haben mit einer neuartigen Mess­technik erstmals ­magne­tische Wirbel gefilmt. Mit Happy End!

von Dr. Lisa-Marie Kern

Was treibt Fotograf:innen und Filme­­macher:innen an, wenn sie Natur, Menschen und Strukturen abbilden? Sie wollen Wissen schaffen und Zusammen­hänge verstehen. Das war auch unser Ziel – allerdings in einem Maßstab, der dem bloßen Auge verborgen bleibt. Wir haben eine neuartige ­Mess­technik entwickelt, um auf der Nano­sekunden-­Zeitskala mit wenigen Nanometern räumlicher ­Auflösung winzige Objekte nicht nur zu fotografieren, sondern auch zu filmen.

In unserer Forschungsgruppe am Berliner Max-Born-Institut untersuchen wir magnetische Material­­systeme und beobachten ihre Reaktion auf intensive Stimuli wie kurze Laser- oder Strompulse. Diese Material­systeme beinhalten mindestens eines der ferromagnetischen Materialien Eisen, Nickel oder Kobalt. Diese Elemente zeichnen sich durch eine natürliche magnetische Ordnung aus, wobei alle magnetischen Momente in die gleiche Richtung zeigen. Man findet sie zum Beispiel in Computern, wo sie genutzt werden, um Daten zu speichern. Die Information wird in Form von Bits gespeichert, die den Wert 0 oder 1 annehmen können, basierend auf der parallelen oder anti­parallelen Aus­richtung benachbarter Magnet­schichten.

In einer immer schneller werdenden Welt sind innovative Lösungen gefragt, um eine schnelle, zuverlässige und energie­effiziente Daten­verarbeitung und -speicherung zu ermöglichen. Wir möchten hier grundlegend neue Wege erkunden und neue Funktionalitäten erschließen. Dazu wollen wir extrem kleinen magnetischen Objekten dabei zuschauen, wie sie sich bewegen und verändern.

Wir haben uns mit ganz besonderen magnetischen Objekten in dünnen ferro­magnetischen Schichten beschäftigt: den magnetischen Skyrmionen. Dabei handelt es sich um winzige, äußerst stabile Wirbel der Magnetisierung. Benannt wurden sie zu Ehren des britischen Physikers Tony Skyrme (1922–1987), der solche Wirbel erstmals theoretisch beschrieb. Sie weisen eine charakteristische Anordnung ihrer magnetischen Momente auf. Stellen wir uns dazu einen Igel vor, für den jeder seiner Stacheln in eine andere Richtung zeigt. Benachbarte Spitzen sind nur leicht verkippt zueinander. Ähnlich verhält es sich mit dem Skyrmion: Seine magnetischen Momente ändern sich kontinuierlich von der Mitte nach außen hin. Skyrmionen sind gekennzeichnet durch ihre wohl­definierte runde Form im Bereich von unter hundert Nanometern. Ein Nanometer, das ist der millionste Teil eines Millimeters.

Für die Erforschung ­nanometerkleiner ­magnetischer Wirbel setzt die Physikerin Lisa-Marie Kern auf großes Gerät
©Annette Mueck
Für die Erforschung ­nanometerkleiner ­magnetischer Wirbel setzt die Physikerin Lisa-Marie Kern auf großes Gerät

In Bezug auf zukünftige Anwendungen könnten sowohl das Vorhandensein als auch das Fehlen eines Skyrmions Informationen in Bit­zustände von 0 und 1 kodieren, analog zu Bits auf einer Fest­platte. Eine Besonderheit der Skyrmionen liegt darin, dass wir sie in dünnen Magnetfilmen erzeugen und bewegen können, beispiels­weise durch kurze Strom­stöße von nur wenigen Nano­sekunden Dauer. Eine Nano­sekunde ist der millionste Teil einer Milli­sekunde. Dadurch könnten Informationen in einem Chip ohne bewegliche Teile geschrieben, prozessiert, dauerhaft magnetisch gespeichert und wieder ausgelesen werden, ohne dass sich ein Schreib- oder Lese­kopf über eine Fest­platte bewegen muss. So schlug auch der französische Physiker und Nobel­preis­träger Albert Fert im Jahr 2013 das Skyrmion als viel­­versprechenden Kandidaten für neu­artige Informations­träger vor. Sie könnten die Art und Weise, wie wir Daten verarbeiten und speichern, revolutionieren.

In unseren Experimenten erfassen wir Bilder von Skyrmionen mittels einer speziellen Mikro­skopie­­technik, die Röntgen­strahlung, also Licht mit extrem kurzer Wellenlänge, verwendet. Denn um Strukturen auf der Nano­meter­skala aufzulösen, benötigen wir Licht mit Wellen­längen, die kleiner als die Größe der auf­zu­nehmenden Objekte sind. Gewöhnliche optische Mikroskope, die mit Licht im sichtbaren ­Spektrum arbeiten, erreichen nicht die erforderliche Auflösung, um Skyrmionen sichtbar zu machen.

Die intensiven Röntgenstrahlen, die wir benötigen, werden in Groß­forschungs­einrichtungen wie dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in ­Hamburg erzeugt. Dort werden Elektronen mit starken Magneten auf einer 2,6 Kilometer langen Kreisbahn gehalten. Dabei emittieren die Elektronen die sogenannte Synchrotron­strahlung, die auch Licht mit den benötigten kurzen Wellen­längen im ­Nano­meter­bereich enthält. Dieses Licht, bekannt als „weiches Röntgenlicht“, nutzen wir, um hoch­auf­­gelöste Bilder der magnetischen Wirbel mit einer Kamera aufzunehmen.

Um einen Film in Echtzeit zu erfassen, ist ein Trick nötig. Denn die Auslese­zeit der Kamera ist um das Milliarden­fache länger als die Zeit­spanne, die wir filmen wollen. Es ist daher eine sogenannte strobos­kopische Messung erforderlich. Hierbei synchronisieren wir den Röntgen­puls zur Aufnahme des Bildes mit dem kurzen Strompuls, der das Skyrmion bewegt, sodass beide Pulse einen definierten zeitlichen Abstand zueinander haben. Diesen Zeit­abstand variieren wir, um Bilder zu verschiedenen Zeitpunkten vor, während und nach dem kurzen Stromstoß aufzunehmen. Um einen zeitlichen Ablauf abzu­bilden – um also einen „Film“ zu drehen –, muss man den Prozess immer wieder unter exakt gleichen Bedingungen starten.

Anfangs positionierten wir einzelne Magnetisierungs­wirbel kontrolliert und präzise in einem Material, damit sie genau dort entstehen, wo sie benötigt werden – ein entscheidender Schritt hin zu einem effizienten Informations­träger. Die gezielte Platzierung mit einer Genauigkeit von wenigen Nanometern gelang mithilfe eines fokussierten Strahls von ­Heliumionen, der das magnetische Material an einem Punkt lokal so verändert, dass ein Skyrmion dort bevorzugt andockt.

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Wir konnten so auch die Bewegung kontrollieren: Es gelang uns, einzelne Magnetisierungs­wirbel wie auf Eisen­bahn­schienen von Halte­punkt zu Halte­punkt zu führen – ein weiterer bedeutender Schritt. Diese Messungen ähnelten einem Stop-Motion-Film: Der Strompuls erzeugt oder bewegt den Wirbel. Sekunden später, in der Welt der Nanoskala also eine kleine Ewigkeit, drücken wir auf den Auslöser für unseren Schnappschuss. In solchen Sequenzen können wir zwar erkennen, dass ein Wirbel ent­standen oder wohin er gewandert ist. Aber was während des Anschubes genau geschieht, bleibt verborgen.

Was passiert also im Material während eines solchen Strompulses, der nur wenige Nano­sekunden dauert? Und wie reagiert der Wirbel auf ultra­schnellen Zeit­skalen?

Die reproduzierbare Erzeugung eines solchen Magneti­sierungs­wirbels nano­meter­genau an der gleichen Stelle erlaubte nun endlich die Film­aufnahme: Zum ersten Mal waren wir in der Lage, die Auswirkungen eines kurzen Stromstoßes in Echtzeit zu filmen. Es gelang uns, diese winzigen magnetischen Wirbel so zu stimulieren, dass sie zu „schaukeln“ beginnen, und diese Dynamik erstmals in einem Film festzuhalten. Auch (magnetische) ­Systeme, von denen wir glauben, sie gut zu kennen, können uns immer noch überraschen: Trotz der scheinbaren Ordnung im Ruhezustand können sich magnetische Wirbel kurz­zeitig wild bewegen, ihre Bewegungs­pfade können stark variieren, und sie können sich unerwartet von ihrem ursprünglichen Andock­punkt lösen. Für heftige Anschübe zappeln sie sogar chaotisch herum – um am Ende dann aber doch in einem klar definierten Ruhe­zustand ­auf­­zu­tauchen, den wir vorher­bestimmen können – ein Happy End auf der Nanoskala.

Diese winzigen Wirbel sind nun „unter Kontrolle“ – sie können reproduzierbar erzeugt und bewegt werden. Können wir sie in deterministischen, ­logischen Schaltungen nutzen, oder eignen sie sich besser, um effizient Zufalls­zahlen zu generieren? Was passiert zum Beispiel, wenn sich zwei Wirbel treffen? Auf fundamentaler Ebene können wir uns zum anderen fragen, ob weitere magnetische ­Systeme, die wir vermeintlich gut kennen, auf kurzen Zeit­skalen auch überraschende Bewegungs­pfade aufweisen. Ist das „nur“ Chaos, oder können wir es auch nutzen? Es bleibt spannend!

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Vor 59 Jahren erkannte der amerikanische Chemiker und spätere Mitbegründer des Halbleiter­konzerns Intel, Gordon Moore (1929 – 1943), eine später nach ihm benannte Gesetz­mäßigkeit. ­Demnach hatte sich die Anzahl der elektronischen Bauteile in integrierten Schaltungen in der Vergangenheit in jedem Jahr ungefähr verdoppelt. Er war sicher, dass sich diese Entwicklung in Zukunft fortsetzen würde – und hatte recht. Zwar wurde das „Mooresche Gesetz“, wie es bald hieß, später etwas korrigiert. Die regelmäßige Verdoppelung der ­Leistungs­fähigkeit von Computer­chips setzt sich aber bis heute fort – und zwar innerhalb von ungefähr 20 Monaten.

Soll das so weitergehen, muss in naher Zukunft allerdings etwas grundlegend Neues erfunden werden. Denn herkömmliche magnetische Systeme stoßen schon jetzt an die Grenzen der zugrundeliegenden Physik. Eine weitere Steigerung der Speicher­kapazitäten ist mit bisherigen Technologien also bald nicht mehr möglich.

Deshalb beflügeln die sogenannten Skyrmionen gerade so viele Wissenschaftler:innen. Diese winzig kleinen magnetischen Wirbel sind gegenüber äußeren Störungen viel stabiler als herkömmliche Speichermedien. Und: Daten lassen sich auf einem Raum von wenigen Atomen speichern. Skyrmionen­speicher wären somit auch viel kleiner.

Und noch etwas: Bei der heute üblichen Informations­verarbeitung über Ladungsträger – die Elektronen – entsteht viel Wärme. Deshalb müssen Rechner gekühlt werden. Die weitere ­Senkung des Energie­verbrauchs ist schwierig. Ein potenzieller Skyrmionen­rechner könnte in Zukunft mit einem Bruchteil der Energie auskommen. Das ist gut für die Umwelt – und für die Zukunft des Mooreschen Gesetzes. — J. Schüring

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